Wohin sonst?

Predigt von P. Max Cappabianca OP in der KSG Berlin am 15.10.2023
zur Semestereröffnung

Wohin sonst? Das Semesterthema stellt die Frage nach der Grundorientierung unseres Lebens. Kann man den Versprechungen der Bibel glauben schenken? Predigt zur Semestereröffnung am 15.10.2023 von P. Max Cappabianca OP

Als die Gemeindeversammlung tagte, war ich krank und war dann ganz erstaunt, über das Semesterthema “Wohin sonst“. Ich dachte mir: auf was für eine Schnappsidee sind die Studis diesmal gekommen? Inzwischen bin ich mit dem Thema aber versöhnt.

Es ist ein Zitat aus dem sechsten Kapitel des Johannes-Evangeliums. Jesus war auf dem Weg nach Jerusalem; und ihm war klar, dass er gekreuzigt werden würde. Es muss auch seinen Jüngern klar geworden sein, denn es heißt dann: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“

Es ist dann Petrus, der auf die Frage Jesu an die Apostel „Wollt auch ihr weggehen?“ antwortet: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Unser Semesterthema bezieht sich also auf einen dramatischen Moment im Leben Jesu. Es geht um die Frage: Gehst Du meinen Weg mit oder nicht? Bist Du bereit, Dein Leben zu riskieren?

Warum sollte ich? Warum sollte ich Christ*in sein? Warum sollte ich den Verheißungen Glauben schenken? Das ist eine Frage, die sich auch uns heute stellt, als Studierende, die Verantwortung übernehmen wollen für die Zukunft unseres Landes und unserer Welt!

Letztlich gründet alles nämlich auf Versprechungen! Und wer kann sicher sein, dass diese Versprechungen nicht leer sind?

Die heutigen Lesungen sind ein Beispiel für solche Versprechungen des Glaubens. In der ersten Lesung aus dem Buch Jesaja wird eine Friedensversion entwickelt die auch verfeindete Menschen aus verschiedenen Nationen zu einem Festmahl zusammenbringen wird. Damals war die Situation im Nahen Osten von Gewalt und Ungerechtigkeit gekennzeichnet – so wie heute! Und doch entwickelt der Prophet eine Vision, die wie eine Utopie klingt! Verfeindete Völker an einem Tisch? Das ist der sehr utopisch…

Das Evangelium heute greift dieses Bild vom himmlischen Gastmahl auf und betont noch einmal, dass nicht die besseren Zehntausend die VIP’s zu diesem Festmahl geladen sind, sondern alle – gute wie böse – wie es da heißt! Das ist ebenfalls ein Gegenbild zu unserer Erfahrung! Nicht die Privilegierten, diejenigen, die sich Vorteile zu verschaffen vermögen, beruft Gott, sondern „random“ – eben nicht nach den Kriterien, die wir gelten lassen würden.

Und solche Versprechungen – oder wie man biblisch sagt „Verheißungen“ – sollen wir Glauben schenken? Ich gebe zu: Das ist eine Zumutung! Gerade als ich die Lesung aus dem Buch Jesaja gelesen habe, musste ich natürlich an den Terrorangriff der Hamas auf Israel denken: Ein Krieg, der bestialische Gewalt hervorbringt! Und wir sollen glauben, dass alle an friedlich einem Tisch sitzen werden irgendwann?

Das Semesterthema „Wohin sonst“ verstehe ich als Aufforderung, das Anstößige, das eigentliche Unmögliche der Botschaft des Glaubens anzuerkennen, so wie die Jünger*innen Jesu. Es gibt eine Verwegenheit der Hoffnung, vielleicht manchmal naiv wirkt, aber doch wirksam ist, weil wir andere damit anstecken können und wir darauf vertrauen, dass das Gute, die Hoffnung Kreise zieht.

So verstehe ich auch die KSG: Sie ist eine Gemeinschaft von Menschen, die Gott und seinen positiven Verheißungen Glauben schenken wollen. Die sich dafür einsetzen, dass das nicht leere Versprechungen bleiben, sondern gelebtes Leben: In unserem privaten Leben, an den Unis, in unserer Freizeit, in unserer Gesellschaft und auf der Welt.

Wir glauben auch an die kleinen Schritte! Wir glauben an die Wirksamkeit von Solidarität – im Leben und im Gebet! Wir glauben, dass die Vision des Glaubens eine Welt ist, die frei von Diskriminierungen ist. In der keine*r wegen seiner Hautfarbe, seiner sexuellen Identität, seines Glaubens oder seiner Weltanschauung verfolgt wird, sondern wir uns daran erfreuen, wie vielfältig und divers Gott seine Welt erschaffen hat.

Wir glauben auch, dass man das schon im Hier und Jetzt erleben kann. Wir arbeiten daran, dass die KSG ein Ort wird, an dem diese Vision Wirklichkeit wird, im Wissen wir schwer dies ist und wie oft wir hinter dem Anspruch zurückbleiben und Menschen keinen Sicheren Ort bieten können, keinen Safe Space, wo sie sein können, wie Gott sie gewollt hat!

Wir glauben auch, dass wir das in dem Umfeld, in dem wir sonst unterwegs sind, einbringen können und Menschen von unserer Vision begeistern können: Dass Frieden und Versöhnung möglich sind und dies eben keine leeren Versprechungen bleiben, sondern die Erfahrung unseres Lebens!

Wohin sonst? Haben wir Mut, wie die Jünger*innen Jesu den Weg des Glaubens zu gehen und den Verheißungen Gottes Glauben zu schenken, auch wenn es unbequem ist und keine schnellen Erfolge sichtbar sind. In diesem Semester und jeden Tag unseres Lebens.