Der Glaube:
Mythos oder hard facts?

Predigt von P. Max Cappabianca OP in der KSG Berlin am 21.5.2023

Der Bericht von der Himmelfahrt Christi ist nicht der einzige Wunderbericht der Bibel, den man kaum wörtlich nehmen kann. Noch viel mehr gilt das für manche Wunderberichte oder die Jungfrauengeburt. Bedeutet dies, dass die biblischen Berichte immer nur „symbolisch“ zu verstehen sind? P. Max plädiert dafür, die Botschaft des Evangeliums nicht zu spiritualisieren und zu erkennen, dass es beim Thema „Erlösung“ um unsere Welt geht – und keine andere sonst.

Liebe Schwestern und Brüder,

Der Bericht von der Himmelfahrt Christi ist nicht der einzige Wunderbericht der Bibel, den man kaum wörtlich nehmen kann. Noch viel mehr gilt das für manche Wunderberichte oder die Jungfrauengeburt. Bedeutet dies, dass die biblischen Berichte immer nur „symbolisch“ zu verstehen sind? P. Max plädiert dafür, die Botschaft des Evangeliums nicht zu spiritualisieren und zu erkennen, dass es beim Thema „Erlösung“ um unsere Welt geht – und keine andere sonst.

Liebe Schwestern und Brüder,

am vergangenen Donnerstag haben wir das Fest Christi Himmelfahrt gefeiert. Die Lesung, die da aus der Apostelgeschichte vorgetragen wird, schildert sehr realistisch, wie Jesus vor den Augen seiner Jünger*innen in den Himmel aufsteigt. In der Barockzeit hat das die Menschen dazu inspiriert, das auch wirklich nachzuspielen. Es wurden unter großem Trara kleine Jesus-Statutetten vom Altar aus zur Kirchendecke gezogen. Vielleicht habt ihr solche Darstellungen in den Social Media gesehen. Da gibt’s immer wieder Videos von dem Spektakel. „Beam me up, Scottie!“ Möchte man da am liebsten sagen!

Nun vermute ich mal, dass die meisten unter euch sich nicht vorstellen, dass Jesus wie so eine kleine Rakete in den Himmel aufgefahren ist. Wir sind es gewohnt, biblische Wundergeschichten nicht allzu wörtlich zu nehmen. Und in den Predigten wird dann meist versucht, eine symbolische Interpretation zu liefern. Bei der Himmelfahrt liegt nahe es mit Reinhard May zu versuchen: Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, oder so ähnlich…. Ich gebe zu, dass Theologietreibende Meister*innen im symbolischen Uminterpretieren sind. Müssen wir auch, denn wenn man die Bibel allzu wörtlich sind, kommen wir bekanntlich in Teufels Küche.

Ein anderes Beispiel für so ein symbolisches Bild ist die Jungfrauengeburt. In der Bibel steht ja, dass Maria schwanger wurde, ohne dass sie Sex mit ihrem Verlobten Joseph hatte. Früher war selbstverständlich, das wörtlich zu nehmen. Heute glaubt das fast keiner mehr, und man versucht, das anders zu interpretieren. Ähnliches gilt für die Heilungswunder Jesu – auch die werden allegorisch gedeutet.

Letztlich gilt diese auch für das größte Wunder schlechthin: Die Auferstehung! Manche Theolog*innen interpretieren die auch „nur“ symbolisch. Festgemacht wird das am „Leeren Grab“. Damit wir an die Auferstehung glauben können: Muss dazu das Grab leer sein oder nicht? Vielleicht habt ihr euch diese Frage noch nicht gestellt. Aber die Frage ist spannend? Woran mache ich meinen Glauben fest? Geht es ausschließlich um eine innere Überzeugung, oder braucht es auch äußere, objektive Fakten, um dem Glauben eine Basis zu geben?

Das biblische Zeugnis ist nicht eindeutig. Einerseits heißt es bei Paulus klipp und klar: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.“ (1 Kor 15,13-14). Andererseits sind zum Beispiel die Berichte über die Auferstehung so widersprüchlich, dass man strenggenommen nicht von objektiven Fakten sprechen kann!

Wie isses aber nun? In der Theologie ist das jedenfalls schon lange Gegenstand der Debatte. Dahinter steckt die philosophische Frage, welches Bild ich von der Wirklichkeit habe.

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass ein Glaube, der noch spiritualisiert ist, der nur alles nur noch symbolisch versteht, wo jede biblische Begebenheit als Allegorie für menschliche Erfahrungen herhalten miss, letztlich beliebig zu werden droht. Es war schon immer das Besondere der jüdisch-christlichen Tradition, dass sie das „Jenseitige“ immer im Diesseits verankert hat. Das meint Inkarnation, Fleischwerdung Gottes. Durch dieses drastische Wort wollte man deutlich machen, dass die Erfahrungen, um die es den Jüngerinnen und Jüngern geht nicht nur rein spirituell sind, sondern etwas mit unserer Welt an sich zu tun haben.

Wenn wir also „erlöst“ zu werden hoffen, dann ist das nicht nur eine „innere Erlösung“, sondern die Wirklichkeit als ganze muss diese Erlösung zeigen. Deswegen hat der Glaube nicht nur eine individuelle und soziale Dimension, ja mit Blick auf uns Menschen auch eine politische!

Nun hat Jesus an verschiedener Stelle deutlich gemacht, dass seine „Herrschaft“ nicht von dieser Welt ist, und deswegen nicht verwechselt werden kann mit der Macht eines politischen Herrschers. Und trotzdem dürfen uns diese Äußerung nicht zu der Annahme verleiten, dass Jesus nachfolgen, eigentlich nur bedeutet, nichts mehr mit dieser Welt zu tun zu haben und sich ins Jenseits zu fliehen.

Nun ist die Auferstehung selbst Dreh- und Angelpunkt. Aber auch die weniger wichtigen „Fakten“ des Evangeliums wie zum Beispiel die Wunder werden meines Erachtens missverstanden, wenn wir sie nur spiritualisieren. In diesen Geschichten geht es natürlich auch um innere Heilung, aber gleichzeitig wird da die Vision einer Welt aufgetan, die im Hier und Jetzt „heil“ ist.

Was bedeutet das für uns?

Ich möchte jetzt kein Plädoyer für Wunderglauben machen, noch will ich euch die Jungfrauengeburt wie Sauer Bier verkaufen! Ich möchte uns alle einladen, das Handeln Gottes nicht nur tief in meinem Inneren zu verorten, oder in einem fernen Jenseits, sondern im Hier und Jetzt, in unserer Geschichte, in unserer Gemeinde, in unserer Stadt Berlin, in unserer Welt. Damit wir damit rechnen, dass Gott in meiner und in unserer Wirklichkeit handelt und erfahrbar ist! Amen.